Ein Interview mit Finja Bareis
Schülerin des RGS und Initiatorin der Ortsgruppe Sinzig von Fridays for Future
16. September 2019
Von Dörte Berresheim (BD)
BD: Finja, in einem Zeitungsartikel über dich habe ich gelesen, dass Greta Thunberg dich inspiriert hat,
dich für den Klimaschutz zu engagieren. Sie hat dir imponiert?
Finja Bareis (FB): Ja genau. Tatsächlich waren es die Auswirkungen ihrer Aktionen, die mich dann dazu
gebracht haben, überhaupt zu akzeptieren, dass wir gerade dabei sind unsere Erde massiv zu zerstören.
Vorher konnte ich das gar nicht eingestehen. Durch Greta Thunberg als Vorbild und andere, die
angefangen haben in Großstädten zu streiken, habe ich gesehen, dass man als Jugendliche etwas
bewirken kann. Dadurch habe ich mich getraut, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil ich
dann wusste, wo ich mit meiner Angst hingehen kann. Es gab für mich dadurch die Möglichkeit, etwas zu
verändern.
BD: Und dann hast du ja eine Menge eigenes Engagement entwickelt und bist selber aktiv geworden.
Wie kam es dazu? Hast du über die Fridays for Future - Bewegung gelesen und bist dann selber mal
irgendwo hingefahren?
FB: Ja, im April war die erste Demo hier in Ahrweiler. Da war ich dabei. Und dann hat es angefangen,
dass ich freitags öfter hingegangen bin und mich unweigerlich mehr befasst habe mit dem Thema.
Dadurch bin ich in das Ganze reingerutscht. Irgendwann wurde ich dann Donnerstagabend angerufen:
„Hey Finja, wir wollen morgen nach Brüssel fahren und das Europäische Parlament besetzen.“ Zu den
Europawahlen. Das war für mich der Startpunkt zu sagen, ganz spontan, ich komme mit.
BD: Das heißt, ihr habt euch untereinander vernetzt. Zuerst in Ahrweiler, dann in Bonn wahrscheinlich.
FB: Genau, und dann ist es international geworden. Wir haben dann vorm Europäischen Parlament 30
Stunden gehockt. Ab dem Moment war ich so richtig drin in der Szene, im Kern.
BD: Und dann hast du mal eine Rede gehalten in Bonn, auf Englisch? Was war das für eine
Veranstaltung?
FB: Das war eine Aktion am UN Campus. Da lädt der UN Campus Firmen ein vorzustellen, was sie für
den Klimaschutz tun. Und da wurde ich als Repräsentantin eingeladen, für Fridays For Future zu
sprechen. Dementsprechend war das auch international und auf Englisch.
BD: Das heißt diese Fridays For Future - Demonstranten haben sich zu Gruppen zusammengeschlossen
und sich dann untereinander vernetzt?
FB: Ja, wir sind gut strukturiert aufgebaut. Es gibt über 600 Ortsgruppen mittlerweile. Das heißt jede
Stadt gründet eine Ortsgruppe und dort werden zwei Delegierte ausgewählt. Eine dieser Delegierten
kommt dann in eine bundesweite Whatsapp-Gruppe oder auch internationale Gruppen. Und da wird
dann alles abgesprochen, was dann wieder an die Ortsgruppen weitergeleitet wird. Und jeden Sonntag
gibt es eine Telefonkonferenz, wo auch abgesprochen und abgestimmt wird, was an die Ortsgruppen
weitergegeben wird. Zusätzlich dazu gibt es immer noch Presse-Ansprechpartner. Und bundesweit gibt
es ganz viele Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themenbereichen.
BD: Hat das noch was mit Greta Thunberg zu tun?
FB: Nein, das wird immer in den Medien so dargestellt. Sie repräsentiert nicht unbedingt unsere
Meinung. Wir haben so viele unterschiedliche Meinungen. Da wird Greta dann zwar als Vorbild gesehen,
aber es ist nicht so, dass sie alle Entscheidungen mitdiskutiert und mitmacht.
BD: Im Frühjahr hattet ihr hier an unserer Schule eine Info-Veranstaltung gemacht.
FB: Ja, das war eine Veranstaltung, wo wir erstmal Leute informieren wollten von unserer AG aus. Wir
haben ja hier eine AG gegründet zusammen mit Sonja Dickopf. Die heißt „GEB – gemeinsam etwas
bewegen“ und da arbeiten wir innerhalb der Schule.
BD: Ihr trefft euch jeden Donnerstag in der Mittagspause. Was wird da vermittelt? Was sind eure Pläne?
FB: Da gehen wir konkret auf die Schule ein, was wir in der Schule machen können. Im Moment geht es
zum Beispiel um Mülltrennung in der Schule, was bei uns ein kritisches Thema ist.
BD: Wie wird überhaupt dein Engagement von Seiten der Schule aufgenommen? Wirst du unterstützt
oder beraten?
FB: Ja absolut. Ich habe noch keinen Lehrer getroffen, der mir gesagt hat, „das ist totaler Quatsch, ich
unterstütze das nicht.“ Ich bin da offene Türen eingerannt.
BD: Und von Seiten der Schulleitung? Wenn du freitags demonstrierst, dann schwänzt du ja den
Unterricht.
FB: Ja, das sind dann unentschuldigte Fehltage. Aber das finde ich auch richtig. Es geht für mich darum,
zu streiken, und klar, die Schule muss Gesetze und Regeln einhalten.
BD: Im Hinblick auf das Klimacamp, das jetzt stattfinden wird, ist das ja auch wichtig zu wissen. Die
Fridays For Future-Ortsgruppe Sinzig hast du kurz nach den Sommerferien mitgegründet.
FB: Ich war viel unterwegs, in den Ferien noch in Paris und so weiter. Ich bin viel gereist und habe mich
irgendwann gefragt, wieso mache ich das eigentlich. Das ist natürlich wichtig und ich werde auch weiter
internationale Arbeit machen. Aber ich fand es dann wichtig, auch hier in Sinzig was zu machen. Denn
auf dem Land ist dieser Gedanke noch gar nicht richtig angekommen, auch nicht innerhalb unserer
Generation. Wir sind einfach zu wenige.
BD: Du willst dich also jetzt auf lokaler Ebene engagieren. Und ganz konkret habt ihr jetzt das
Klimacamp geplant. Was kann man da machen?
FB: Es gibt verschiedene Workshops und Aktionen. Das richtet sich an alle, nicht nur Sinziger Schüler.
Jeder, der sich interessiert und der vorbeikommt, der kann sich überhaupt erst mal mit dem Thema
beschäftigen. Und wir wollen auch die Angst nehmen vor Demonstrationen und vor zivilem Ungehorsam.
Es ist auch wichtig, sich zu fragen, ist das überhaupt legitim. Und es soll ein Raum entstehen, um sich
eine Meinung zu bilden.
BD: Was können unsere Schüler da konkret machen?
FB: Also es geht tatsächlich viel um zivilen Ungehorsam. Aber wir werden auch Wissenschaftler da
haben, die erklären, was Klimawandel überhaupt ist. Und die erläutern, wie können wir was tun. Wir
werden Aktivisten aus Koblenz da haben, die zeigen, wie man auch in Kleingruppen was machen und
bewegen kann. Am Dienstag werden wir in die Stadtratssitzung gehen und über kommunale Politik
reden. Und es gibt den Plan, in Arbeitsgruppen ein Klimaschutzkonzept für Sinzig vorzubereiten. Es gibt
ja von Fridays For Future sechs Forderungen auf Bundesebene. Und wir wollen gucken, wie Sinzig
diese sechs Forderungen auch umsetzen kann.
BD: Wie kann eine Kleinstadt wie Sinzig solche Ziele erfüllen?
FB: Sinzig kann natürlich kein Kohlekraftwerk abschalten, aber die Stadt kann sich um erneuerbare
Energien kümmern oder sich für die CO2-Steuer einsetzen, Kampagnen unterstützen. Zu diesen
Klimazielen muss man sagen, das klingt immer so ambitioniert und die Leute sagen oft, das ginge ja gar
nicht. Aber es ist wirklich allerhöchste Zeit. Die Ziele beruhen alle auf dem Pariser Klimaabkommen und
das wurde von Deutschland unterschrieben. Und nur wenn diese Forderungen eingehalten werden, kann
das auch gewährleistet werden.
BD: Jetzt noch mal zur Person Finja Bareis. Was hast du für dich selber im letzten halben Jahr
geändert?
FB: Tatsächlich bin ich jetzt komplett Veganerin. Vor dem Schritt hatte ich sehr viel Angst, aber ich habe
irgendwann gemerkt, dass ich es nicht schaffe, tierische Produkte zu essen. Weil ich ganz genau weiß,
was damit zusammenhängt. Ich fahre Fahrrad und so wenig wie möglich mit dem Auto. Und ich fahre
Zug. Ich werde nie wieder fliegen, das ist mir jetzt auch klar. Man hat einen anderen Lebensstil. Man
fängt bei einer Sache an und dann setzt sich das in alle Bereiche fort. Was Fridays For Future angeht,
wird es immer so dargestellt, als wenn es sich um Jugendliche handelt, die nur freitags die Schule
schwänzen wollen. Aber es steckt so viel Arbeit hinter dem, was die Jugendlichen da machen. Also ich
habe zum Beispiel mit meinem Klavierunterricht aufgehört, weil ich einfach keine Zeit mehr habe. Ich
habe immer so viele Termine oder Telefonkonferenzen. Das ist ein Fulltime-Job.
BD: Was hat sich für dich geändert im Hinblick auf deine Berufswahl?
FB: Ursprünglich wollte ich gerne was machen mit Psychologie. Und jetzt gehe ich in Richtung
Jurastudium, was genau, weiß ich noch nicht. Später will ich mich dann einer NGO anschließen, um
dann durch Klagen und so weiter Menschen zur Rechenschaft ziehen zu können und damit was zu
bewegen. Jetzt gerade habe ich auch ein Praktikum bei Germanwatch in Berlin gemacht.
BD: Zum Schluss noch die Frage, was ist deine Vorstellung vom Rhein-Gymnasium in zehn Jahren? Die
Schule der Zukunft, wie sieht die aus?
FB: Ich glaube, dass wir wirklich bei den Schülern, bei der jungen Generation etwas bewirken müssen.
Die Lehrer sind alle total kooperativ. Aber bei den Schülern muss noch das Bewusstsein entstehen, dass
man sich in einer Demokratie einbringen und etwas bewirken kann. Daran wollen wir arbeiten, dafür die
Weichen stellen und das Interesse wecken.
BD: Vielen Dank für das Gespräch.