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Theater in der Schulklasse – ein Gastspiel des Stadttheaters Koblenz 19. Mai 2008 Eine ungewöhnliche Doppelstunde erlebten die Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Deutsch  11 von Frau Drexler und 12 von Herrn Sturm am letzten Mittwoch (14.5.) in der 5. und 6.Stunde. Statt  ihrer eigenen Fachlehrer betrat der Deutschlehrer Klamm den Klassenraum –und damit nahm ein  Theaterstück seinen Lauf. „Klamms Krieg“, Autor Kai Hensel, eines der meistgespielten  Jugendtheaterstücke der letzten Jahre und mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis 2002 ausgezeichnet,  wurde dort gespielt, wo es hingehört –eben im Klassenraum.   Mit den ersten Sätzen wird die Vorgeschichte rekapituliert, ein alltäglicher Schulkonflikt. Weil  Deutschlehrer Klamm Sascha statt der notwendigen sechs nur fünf Punkte gegeben hat, fällt dieser  durchs Abitur. Klamm weiß sich zu rechtfertigen: „Sascha war mein Schüler, richtig. Deutsch  Leistungskurs…, der Abiturjahrgang. Ein schlechter Schüler!..Trotzdem habe ich ihm für das letzte  Semester fünf Punkte gegeben. Ich habe sie ihm gegeben aus Anerkennung –für sein Bemühen, seine  redliche, wenn auch fruchtlose Anstrengung. Aber ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht.“  Doch diese Entscheidung führt zu Saschas Selbstmord. Der neue Leistungskurs macht nun Klamm dafür  verantwortlich. Sie erklären dem Lehrer den Krieg, schriftlich und öffentlich, verweigern den Unterricht  und verlangen eine Entschuldigung, was für Klamm einem Eingeständnis von Schuld oder Mitschuld  gleich kommt. Der Lehrer wertet das Verhalten der Schüler als Kriegserklärung und dieser dreht den  Spieß scheinbar um. Damit dreht sich die Eskalationsspirale nur weiter: die realen Schüler werden nun  zu (Mit)Akteuren, denen Klamm sein Berufsethos deutlich zu machen versucht. Doch bald richtet sich  sein Kampf auch gegen das Schulsystem, dem er zunehmende Beliebigkeit und Anbiederei vorwirft.  Klamm droht, dann wieder agiert er subversiv, indem er die Verweigerung durch gute Noten oder leichte  Kursarbeiten unterläuft.   Anfangs waren die Schülerinnen und Schüler durch den überfallartigen Auftakt irritiert, waren sie es  doch, die hier die Verweigerer abgaben und von Klamm direkt angegangen wurden. Wie sollte man sich  da verhalten? Mit zunehmender Dauer gelang es Markus Angenvorth, dem Darsteller des Klamm, eine  immer tiefere Betroffenheit auszulösen und gespannte Aufmerksamkeit zu erzeugen. Klamms  pädagogischer Eros ist Kriegsmotiv und zugleich sein Verhängnis. Schließlich stellt er erschöpft fest,  dass Lehrer „den Krieg nicht gewinnen können“, weil es immer neue Schülergenerationen gibt. Für einen  Moment gewährt Klamm Einblick in sein Innenleben: „Bald kommt der Tag. Ihr großer Tag, der auch für  mich immer ein großer Tag gewesen ist. Festlich gekleidet stehen Sie auf der Bühne der Aula. Ihr  Abiturzeugnis in der Hand…Als Kinder sind Sie gekommen, als Erwachsene gehen Sie fort. Und in  jedem steckt ein Teil von mir, das sind Augenblicke des Glücks. Augenblicke der tiefsten Befriedigung,  und deshalb ist Lehrer vielleicht der schönste Beruf, den es gibt.“   Immer deutlicher wird, wie Klamm zwischen pädagogischem Ehrgeiz und moralischen Selbstvorwürfen  an Saschas Selbstmord aufgerieben wird, bis ihn „die Wahrheit wie ein unschuldiges Kind“ ansieht.  Klamm hatte Sascha bereits die sechs Punkte gegeben, ehe dieser bei ihm zuhause intervenierte, jetzt  sah es für ihn so aus, als ließe er sich in seiner Notenfindung beeinflussen. Klamm droht sich zu  erschießen, verwirft diesen Gedanken aber als Schuldeingeständnis. Bevor er für längere Zeit die Schule  verlassen muss, angeblich wegen einer schweren Krankheit, macht Klamm einen letzten Versuch, bittet  darum, einen Neuanfang zu wagen und Bisheriges zu vergessen.   In der anschließenden Diskussion mit dem Darsteller und der Regiesseurin Anna Zimmer wurde deutlich,  dass das Stück Verständnis für beide Seiten aufbringt, dass Klamms Übergungen und Deutungen auch  für die Schüler nachvollziehbar sind, dass Saschas Tod sicherlich nicht allein von Klamm verschuldet  wurde, er aber, der sich über Schüler so viele Notizen macht, hätte sehen müssen, in welcher  Verfassung Sascha bei dem Hausbesuch war. Aus Schülers Sicht scheitert Klamm an seinem Ideal von  Schule und Schüler, an der mangelnden Akzeptanz der Wirklichkeit und ist von daher eine tragische  Figur. Auf jeden Fall verließen die Schülerinnen und Schüler sehr beeindruckt diese leicht verlängerte  Doppelstunde, die in ihrer Ungewöhnlichkeit sicherlich noch lange haften bleibt.   Herr Sturm  
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