„Wir sind dann mal im Knast“
  Schüler des RGS auf
  Geschichtsexkursion nach Sachsen
  6. Mai 2018
  Anfangs kommt uns dieser lockere Spruch noch über die Lippen.
 
  Aber dann werden wir an der Torgauer Gefängnispforte von
 
  Justizbeamten in Empfang genommen. Der Ton ist bestimmt, die
 
  Verhaltensregeln müssen genau beachtet werden: Die Mitnahme
 
  von Handy, Essen und Getränken sowie die Ansprache der
 
  Häftlinge sind strengstens verboten.
 
  Wir, der Leistungskurs Geschichte der MSS 12 unter Leitung von
 
  Frau Kösling, haben nun die seltene Möglichkeit, das Leben
 
  hinter Gittern kennenzulernen. Bei unserer dreitägigen
 
  Geschichtsexkursion nach Sachsen war dies ein ganz
 
  besonderes Erlebnis.
 
  Dieses Gefängnis liegt mitten in der ehemaligen Festungsanlage
 
  „Fort Zinna“ und wird seit 1938 als solches genutzt. Heute macht
 
  ein sehr hoher Zaun mit abschließendem Nato-Draht eine Flucht
 
  unmöglich. 300 männliche Straftäter vom Kleinkriminellen bis
 
  Mörder sind hier untergebracht. 
 
  Nach einer ausführlichen Kontrolle wie am Flughafen werden wir
 
  hier durchgeschleust. Stets werden vor und hinter uns die Türen
 
  auf- und wieder zugeschlossen. Im Herzen dieses kreuzförmigen
 
  Gebäudes sehen wir das offene Treppenhaus, das den Blick frei
 
  gibt in alle Gänge und alle Stockwerke, die aber alle
 
  verschlossen sind.
 
  Ein beklemmendes Gefühl kommt bei uns auf, das noch
 
  zunimmt, als wir die spartanischen Zellen sehen. Einige nutzen
 
  die Möglichkeit, sich für einen Moment dort einschließen zu
 
  lassen. Sie kommen wortlos wieder heraus.
 
  In einem Veranstaltungsraum bietet sich uns die Gelegenheit, mit
 
  den drei Bediensteten und einem Häftling ins Gespräch zu
 
  kommen. Wir erhalten viele Informationen über den Alltag. Auf
 
  die Frage, was ihm am meisten fehlen würde, antwortet er, der
 
  wegen Totschlags Verurteilte spontan: Alles! Es seien vor allem
 
  die sozialen Kontakte und ein Leben ohne Einschränkungen. Hier
 
  würde man in allen Bereichen bevormundet, alles sei zeitlich
 
  genau vorgegeben. 
 
  Bedauerlich, wenn auch verständlich, ist, dass der Inhaftierte seinen Alltag ziemlich negativ beschrieben
 
  hat. Denn im Sinne einer besseren Resozialisierung geht der Strafvollzug längst neue Wege. Dabei soll
 
  auch der Kontakt zur Familie verstärkt werden. Gelegentlich öffnet sich – wie in unserem Fall – das
 
  Gefängnis auch für interessierte Bürger.
 
  Heute verbüßen Straftäter in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Torgau nach Recht und Gesetz gemäß
 
  unserem demokratischen Staat ihre Strafe. Das war nicht immer so. Den Wert der freiheitlichen
 
  Gesellschaft können wir besonders gut vor dem Hintergrund von Diktaturerfahrungen verstehen. Unser
 
  Besuch macht auch deutlich, welch großer historischer Fortschritt es ist, dass es in Deutschland heute
 
  keine politisch Gefangenen mehr gibt!
 
  In der naheliegenden Gedenkstätte Schloss Hartenfels werden wir umfassend und kompetent über die
 
  Behandlung insbesondere der politisch Gefangenen vor 1990 informiert. Fort Zinna war im Zweiten
 
  Weltkrieg das größte Wehrmachtsgefängnis, während der sowjetischen Besatzungszeit ein Speziallager
 
  und nach 1949 DDR-Gefängnis. 
 
  Anhand von Lebensläufen wird das willkürliche Vorgehen - oft mit Folter - in diesen Unrechtsregimes
 
  differenziert aufgezeigt. Die Lebensbedingungen waren menschenunwürdig. Unverhältnismäßig hohe
 
  Strafen bis hin zur Todesstrafe waren an der Tagesordnung.
 
  Häufig wurden junge Männer wegen geringfügiger Delikte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Bei
 
  kleinsten Anzeichen von Renitenz wurde dies sofort als Widerstand gegen die Staatsgewalt geahndet.
 
  Diese Erfahrungen waren für uns ebenso bedrückend wie lehrreich.
 
  Wir waren nicht einfach nur so im Knast!