Lehrerraumprinzip am Rhein-Gymnasium
24. August 2010
„Demokratie leben“, lautet ein bekanntes Schlagwort. Am
Rhein-Gymnasium Sinzig (RGS) wurde es jüngst praktiziert.
Zur Abstimmung stand die Alternative „Klassenraumprinzip
oder Lehrerraumprinzip“. Letzteres bedeutet, dass nicht
mehr – wie gewohnt – die Lehrer zu den Schülern in den
Raum kommen, sondern die Schüler zu den Lehrern. Alle
drei an der Schule beteiligten Gruppen waren aufgerufen,
Stellung zu beziehen. Für die Eltern tat dies der
Schulelternbeirat, der sich ebenso wie die Lehrer mit klarer
Mehrheit für das Lehrerraumprinzip aussprach. Die Schüler
stimmten in Wahlkabinen per Stimmzettel ab. Das Ergebnis:
52 % votierten für die Neuerung, 32 % für die Beibehaltung
der bisherigen Regelung und 16 % war es egal.
Der Abstimmung war ein mehrmonatiger Meinungsbildungs-
prozess voraus gegangen. Argument stieß auf Argument.
So führte der Mathematiklehrer Marc Steuer ins Feld, dass
man besonders den Schülern der Orientierungsstufe mit
dem Verzicht auf einen eigenen Klassenraum ein Stück
„schulische Heimat“ wegnehme. Seine Fachkollegin
Christiane Konrad sah hier zwar ebenfalls ein Defizit, dem
aber Positives gegenüber stehe: „Beim Lehrerraum-Prinzip
kann der Lehrer den ihm zugewiesenen Raum so gestalten,
dass er für seine Unterrichtsfächer optimale fachspezifische
Voraussetzungen bietet.“
Doch es blieb nicht beim Austausch von Argumenten.
Schüler,- Lehrer- und Elternvertreter waren nach Bonn
gereist und hatten sich beim dortigen Beethoven-
Gymnasium umgesehen, das seit vielen Jahren mit dem
Lehrerraum-Prinzip lebt und es nicht mehr missen möchte.
Schließlich führte das RGS noch eine mehrmonatige
Probephase durch. „Erfreulich war, dass sich die innere und
äußere Disziplin der Schüler verbesserte“, zog
Schulelternsprecher Thomas Edwards ein positives Fazit.
Die Reinigungskraft Gertrud Nelles drückte es so aus: „Die
Räume sind viel sauberer als früher.“
Ursache dafür dürfte sein, dass die Schüler ständig unter
Aufsicht stehen, da die Lehrer zumeist auch in den Pausen
in ihren Räumen verbleiben. So kann es auch weniger zu
Hänseleien und Streitereien unter den Schülern kommen.
Geschichtslehrerin Silvia Heimermann beobachtet eine
veränderte Einstellung vieler Schüler: „Weg von der
Konsumhaltung hin zum aktiven ‚Ich will etwas vom
Lehrer‘.“
Zunächst in diesem Schuljahr gilt am RGS das
Lehrerraumprinzip, danach wird die Schulgemeinschaft die
längerfristig gemachten Erfahrungen bewerten.