Geschichte lebendig und verständlich
Historisch-politische Bildung in Nürnberg
27. Juni 2019
Vom Nürnberger Bahnhof aus geht der Blick zunächst zur fast
komplett erhalten gebliebenen, atemberaubend wuchtigen
Stadtmauer. Sie umgibt bei einer Länge von 5 km die Altstadt mit
ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Das Ziel der
Schülerinnen und Schüler des LK Geschichte 12 mit ihrer
Lehrerin Ilse Kösling ist eine wenige Minuten vom Bahnhof
entfernt liegende Bildungseinrichtung, für das ein
Klarissenkloster aufwendig umgebaut wurde. Obwohl das Haus
im Herzen der quirligen Altstadt liegt, ist es eine Oase der Ruhe.
Bei sehr guter Verpflegung und einer komfortablen
Unterbringung in Zweibett-Zimmern führen zwei fachlich
qualifizierte Betreuerinnen ideenreich und auch kurzweilig durch
das dreitägige Programm.
Gerade auch dieser Lernort fernab des Schulalltags ist für die
intensive Auseinandersetzung mit den Themenbereichen
Nationalsozialismus, Holocaust, Erinnerungskultur und rechte
Geschichtspolitik sehr gut geeignet.
Nürnberg hat viel zu bieten. Zum Beispiel nutzten die
Nationalsozialisten die Stadt für ihre Reichsparteitage. Auf dem
heute noch erhaltenen riesigen Gelände mit seinen
Kolossalbauten und Aufmarschplätzen werden dem
Leistungskurs die Funktionen der inszenierten
Propagandaveranstaltungen verdeutlicht: Gerade hier wurde die
Jugend eingeschüchtert, beeindruckt, diszipliniert, auf die
„Volksgemeinschaft“ und Hitler eingeschworen. Das
Dokumentationszentrum vermittelt zusätzlich umfassende
Informationen zur Geschichte der NS-Herrschaft.
Wie kann angemessen an die Menschheitsverbrechen der
Nationalsozialisten erinnert werden? Die Schüler machen sich in
Form einer Stadtrallye auf den Weg und betrachten fünf
unterschiedliche Denkmale der NS-Opfer im öffentlichen Raum.
Sie vergleichen die Denkmale und hinterfragen deren
Bedeutung. Auch der Besuch der Ausstellung „Memorium
Nürnberger Prozesse“ am Originalschauplatz bietet sich für eine
historische Aufbereitung in besonderer Weise an. Die NS-
Verbrechen werden anschaulich dargestellt und die Entwicklung
einer internationalen Völkerstrafgerichtsbarkeit nachgezeichnet.
Besonders beeindruckend ist der NS-Film „Triumph des Willens“
über den Reichsparteitag des Jahres 1934 von Leni Riefenstahl.
Eine genaue Analyse entlarvt den Film als raffiniert komponiertes
Propagandawerk. Aus Film- und Musikbeiträgen der „rechten
Szene“ dechiffrieren die Schüler deren Programm und
Botschaften. Sie arbeiten Ähnlichkeiten mit dem Weltbild der
Nationalsozialisten heraus und entlarven deren verfälschte
Erinnerungs- und Gedenkkultur.
Höhepunkt dieser Geschichtsexkursion ist die Lesung der
renommierten Schauspielerin Patricia Litten, die Auszüge aus
dem Buch ihrer Großmutter Irmgard Litten „Eine Mutter kämpft
gegen Hitler“ vorträgt. Beschrieben wird der Leidensweg des
Sohnes Hans Litten. Die Lebensgeschichte des mutigen und
engagierten Rechtsanwalts gibt Einblicke in das unmenschliche
System der KZ-Lager. Patricia Litten fesselt durch eine ungemein
packende Vortragskunst auch emotional. Sie veranschaulicht
eindrucksvoll, wie sich innerhalb kurzer Zeit eine Demokratie in
eine Diktatur wandeln kann, so dass letztlich jede
Rechtsstaatlichkeit aufgehoben ist. Auch stellt sie zu aktuellen
politischen Zuständen Bezüge her und verweist auf
Repressionen gegenüber Journalisten, Rechtsanwälten und
politisch Andersdenkenden.
So wird Geschichte lebendig und verständlich.
PS: Selbstverständlich gehört zum Besuch dieser spannenden
Stadt auch ein buntes Freizeitprogramm mit Zeit zum Bummeln,
Shoppen, Bratwurstessen, Leckereien naschen und einfach
unbeschwert Spaß haben.